Parteiübergreifende Forderungen nach einer Musterfeststellungsklage

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 27. Juli 2017 einen Diskussionsentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage vorgelegt. DER MITTELSTANDSVERBUND nimmt kritisch Stellung.

Berlin, 19.09.2017 – Seit mehreren Jahren schon werden – sowohl auf europäischer, als auch auf nationaler Ebene – unterschiedliche Instrumente der kollektiven Rechtsdurchsetzung diskutiert. Die Begründung: Eine individuelle Geltendmachung von Ansprüchen finde häufig nicht statt. Insbesondere geringwertige Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche bei einer Vielzahl von Verbrauchern – sogenannte Streuschäden –würden nur sehr selten verfolgt, da der erforderliche Aufwand aus Sicht der Betroffenen unverhältnismäßig erscheine.

Diskussionsentwurf vorgelegt

Deutscher Bundestag, BerlinDas Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat nun am 27. Juli 2017 einen Diskussionsentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage vorgelegt. Mit dieser soll eine zügige und kostengünstige Durchsetzung von Ansprüchen ermöglicht werden, die einer Vielzahl von Personen zustehen und die zugleich einer missbräuchlichen Rechtsverfolgung vorbeugt.

Bereits im Dezember 2016 hatte das Haus von Justizminister Heiko Maas einen inoffiziellen Referentenentwurf erarbeitet, der jedoch aufgrund breiter Kritik – insbesondere aus den Reihen der CDU/CSU sowie zahlreicher Wirtschaftsverbände, darunter DER MITTELSTANDSVERBUND – nicht durch die Ressortabstimmung gelangte.

Nun allerdings wird – im wahrsten Sinne des Wortes – die schmutzige Luft dünner. Nach den Auswirkungen des Diesel-Abgas-Skandals werden parteiübergreifend die Stimmen derer lauter, die eine Sammelklage für Verbraucher fordern. So zuletzt auch im TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz.

Es muss deshalb damit gerechnet werden, dass die Diskussion um ein kollektives Rechtsschutzinstrument auch nach der Bundestagswahl weitergeht. Mehr noch: Die Aufnahme des Themas im Wahlkampf zeigt eindringlich, dass die Musterfeststellungsklage mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im künftigen Koalitionsvertrag – egal, in welcher Konstellation es einen solchen geben mag – eine Rolle spielen wird. Vor diesem Hintergrund nimmt DER MITTELSTANDSVERBUND bereits heute Stellung.

Worum geht´s?

Formen des kollektiven Rechtsschutzes finden sich aktuell im deutschen Recht in Form der Verbandsklage nach dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG), dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) sowie im Bereich des Kartellschadenersatzes, mithin in jeweils sachlich abgegrenzten Rechtsbereichen.

Demgegenüber soll sich die nun diskutierte Musterfeststellungsklage nicht punktuell auf eine spezielle Rechtsmaterie beschränken, sondern allgemein in verbraucherrechtlichen Angelegenheiten anwendbar sein. Die Musterfeststellungsklage kann dabei – wie der Name schon sagt – nicht auf Leistung gerichtet sein, sondern nur auf „die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs oder Rechtsverhältnisses zwischen Verbrauchern und Unternehmern“.

Erforderlich soll außerdem sein, dass die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse einer Mindestanzahl von Verbrauchern von den Feststellungszielen abhängen. Die Mindestzahl lässt der Entwurf offen, schlägt hierfür aber Größenordnungen von 10, 50 oder 100 Verbrauchern vor.

  • DER MITTELSTANDSVERBUND:

Der viel zu weite und unklare Anwendungsbereich der Musterfeststellungsklage ist nicht geeignet, um ein „scharfes“ und punktgenaues Instrument zur Geltendmachung von Streuschäden einzuführen. Die jetzige Formulierung birgt vielmehr die Gefahr, dass bei jeglicher Beteiligung eines Verbrauchers der Anwendungsbereich eröffnet ist – unabhängig von der Art des Rechtsverhältnisses oder dem konkreten Rechtsgebiet. Dies ist abzulehnen.

Auch die noch nicht konkretisierte Anzahl der betroffenen Verbraucher erscheint mit 10, 50 oder 100 viel zu gering. Wenn die Musterfeststellungsklage als Alternative für angeblich nicht oder zu selten geführte Individualklagen von Verbrauchern oder Verbraucherverbänden eingeführt werden soll, muss sich dies nach Ansicht des MITTELSTANDSVERBUNDES auch in einer erheblichen Zahl von betroffenen Verbrauchern – mindestens aber 1.000 – bemerkbar machen.

Kernstück der Musterfeststellungklage ist die Klagebefugnis. Diese soll sogenannten „qualifizierten Einrichtungen“ – also Verbrauchervereinen – vorbehalten bleiben, die in der Liste nach § 4 UKlaG oder dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2009/22/EG eingetragen sind.

  • DER MITTELSTANDSVERBUND:

Nicht mehr klagebefugt sind im Gegensatz zum Referentenentwurf die Industrie- und Handelskammern. Dies ist im Hinblick darauf, dass diese als Vertretung von Unternehmensinteressen geschaffen sind und gegenüber ihren Mitgliedern Neutralität zu wahren haben, zu begrüßen.

Es besteht allerdings weiterhin die Gefahr, dass – gerade in anderen EU-Staaten –unter unklaren Bedingungen Verbraucherschutzverbände zugelassen werden und diese dann in Deutschland gegen bestimmte Unternehmen Klage erheben.

Es sind bereits heute Verbraucherschutzvereine bekannt, die trotz entsprechender Indizien und nachfolgender Beschwerden in die Liste der qualifizierten Einrichtungen eingetragen wurden und eingetragen bleiben. Hier sollten – zumindest national – die Anforderungen an eine solche Eintragung nach UKlaG erhöht werden, beispielsweise entsprechend den Vorschlägen der Verbändeinitiative gegen Abmahnmissbrauch, an der auch DER MITTELSTANDSVERBUND teilnimmt.

Ein weiteres wichtiges Element der neuen Musterfeststellungsklage ist das vom Bundesamt für Justiz zu führende Klageregister, das für jedermann einsehbar ist und in das die Musterfeststellungsklage vom Gericht eingetragen wird.

Von den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage betroffene Verbraucher können ihre Ansprüche schriftlich oder elektronisch zur Eintragung in das Klageregister anmelden. Die Anmeldung hemmt die Verjährung des von der Feststellung abhängigen Anspruchs. Bereits anhängige Individualklagen werden nach einer Anmeldung bis zum Abschluss des Musterfeststellungsverfahrens ausgesetzt.

  • DER MITTELSTANDSVERBUND:

Der Zeitpunkt, bis zu dem eine Eintragung in das Klageregister vorgenommen werden kann – beziehungsweise bis zu dem eine solche wieder zurückgenommen werden kann – liegt mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung viel zu spät.

Zu diesem Zeitpunkt ist schon erkennbar, wie das Gericht entscheiden wird. Auch ist eine Gebühr in Höhe von 10 Euro nicht geeignet, missbräuchliche Eintragungen zu verhindern. Im Zusammenhang mit der Entscheidung des Gerichts über die öffentliche Bekanntmachung diverser Angaben im Klageregister sollte klargestellt werden, dass diese Entscheidung erst nach der Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage fallen darf. Grund dafür: Mit der Veröffentlichung im Klageregister entsteht bereits öffentlicher Druck und ein Imageschaden, da diese Prangerwirkung entfaltet.

Wie weit die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils reicht, lässt das Gesetz ausdrücklich offen: Diese soll nach dem Text der geplanten Regelung entweder davon abhängen, dass sich der Anmelder darauf beruft – oder unabhängig davon eintreten, soweit die Entscheidung von den Feststellungszielen abhängt. Die Begründung geht allerdings davon aus, dass die Bindungswirkung davon abhängt, dass sich entweder der Verbraucher oder aber das beklagte Unternehmen darauf beruft.

  • DER MITTELSTANDSVERBUND:

Bindungswirkung besteht nach dem Diskussionsentwurf nur für das beklagte Unternehmen, nicht aber für die im Klageregister eingetragenen Verbraucher. Dies ist nicht nachvollziehbar und führt letztlich dazu, dass Musterklagen, die zugunsten des beklagten Unternehmens ausgegangen sind, keinerlei Bindungswirkung gegenüber den Verbrauchern entfalten. Das ist ungerecht und muss unter dem Aspekt der Waffengleichheit geändert werden.

Auch wenn Kritik an dem Diskussionsentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungklage ob der in jüngster Zeit zahlreichen Skandale (Diesel-Abgas, Bankenentgelte) fast schon nicht opportun erscheint – DER MITTELSTANDSVERBUND wird sich für die Interessen der mittelständischen Kooperationen und deren Anschlusshäuser einsetzen.

Die Einführung einer Musterfeststellungsklage birgt die Gefahr, dass sich in Deutschland eine Klageindustrie nach US-amerikanischem Vorbild etablieren könnte. Denn das Verfahren leistet Geschäftsmodellen Vorschub, bei denen der Verbraucherschutz Kanzleien beziehungsweise Investoren als Deckmantel für den angestrebten Profit dient.

Die Behauptung in der Begründung zum Gesetzentwurf, die Musterfeststellungsklage biete mit der Möglichkeit der kostengünstigen Anmeldung von Ansprüchen einen einfachen Weg der kollektiven Rechtsverfolgung, mit dem für den einzelnen Betroffenen kein Prozesskostenrisiko verbunden sei, offenbart überdies eine Waffenungleichheit.

Der Entwurf ist aber auch nicht geeignet, Geschädigten tatsächlich zu nutzen – denn es ist zu unklar, was festgestellt werden soll. Identische Lebenssachverhalte gibt es erfahrungsgemäß nicht. Missbrauch ist weder bezüglich der Klagebefugnis noch bezüglich der Eintragung ins Klageregister ausgeschlossen. Durch den Entwurf wird weitere Rechtsunsicherheit geschaffen. Zudem werden Hoffnungen geweckt, die nicht erfüllt werden können.

Und last but not least: Für den einzelnen Verbraucher bestehen auch heute schon mit der Individualklage hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten, wobei Unterstützung durch einen Verbraucherverband und Prozesshilfe in Anspruch genommen werden können.

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