Durch(ge-)setztes Zivilrecht?: Neue BMWi-Studie sieht Nachbesserungsbedarf

Eine vom Bundeswirtschaftsministerium vorgestellte Studie durchleuchtet umfassend das System der Durchsetzung des Verbraucherrechts. Hinsichtlich der Frage, ob zukünftig stärker auf eine (wettbewerbs-)behördliche Rechtsdurchsetzung gesetzt werden sollte, spielen die Verfasser den Ball zurück in die politische Spielhälfte. DER MITTELSTANDSVERBUND warnt vor einer quasi-Kriminalisierung des Verbraucherrechts mit ungeahnten Folgen für den kooperierenden Mittelstand.

Brüssel, 13.09.2018 – Am Anfang standen zwei Fragen, die es in sich haben: 1) Bestehen Defizite in der Durchsetzung des wirtschaftlichen Verbraucherrechts in Deutschland? 2) Könnte das Bundeskartellamt als Verbraucherschutzbehörde Defizite – falls vorhanden – auffangen? Die auf Grundlage dessen vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie durchleuchtet damit ein unter Experten bereits seit langem heiß diskutiertes Thema: Wie gut funktioniert das „Leuchtturmprojekt“ der privaten Rechtsdurchsetzung in Deutschland wirklich?

Was bisher geschah

Zur Wiederholung: Das Deutsche Zivilrecht – allen voran die Vorschriften über die AGB-Kontrolle – ist in seiner Gewichtung äußerst verbraucherfreundlich ausgestaltet. Zudem finden sich auch in dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb viele Vorschriften, die dem Verbraucher zugutekommen (und nicht ausschließlich dem Geschäftskontakt zwischen Unternehmern, wie es ursprünglich eigentlich mal der Fall war).

Eine vom Bundeswirtschaftsministerium vorgestellte Studie durchleuchtet umfassend das System der Durchsetzung des Verbraucherrechts. Einiger Nachbesserungsbedarf sei danach notwendig. Hinsichtlich der Frage, ob zukünftig stärker auf eine (wettbewerbs-)behördliche Rechtsdurchsetzung gesetzt werden sollte, spielen die Verfasser den Ball jedoch zurück in die politische Spielhälfte.Anders, als in den meisten Rechtsordnungen unserer europäischen Nachbarn, besteht in Deutschland die Möglichkeit von (Verbraucher-)Verbänden, Mitbewerbern oder Kammern, einzelne Rechte der Betroffenen in Form von Abmahnungen und Unterlassungsverfügungen geltend zu machen. Erwartungsgemäß stieg damit bereits seit einiger Zeit der Druck aus Europa, stärker auf eine behördenseitige Durchsetzung von Verbraucherrechten zu setzen – zuletzt in Form einer neuen EU-Verordnung, welche die Möglichkeit von Sanktionen wie Bußgelder oder Netzsperren in der Durchsetzung von Verbraucherrechten zwingend vorsehen.

Ist alles wirklich so schlimm?

Etwas zugespitzt lässt sich tatsächlich fragen, ob Deutschland jahrzehntelang auf einem verbraucherschutzrechtlichen Holzweg ging. Dem Druck aus Europa zunächst nicht nachgebend, ermittelte die Bundesregierung mit der vorliegenden Studie zunächst den Status quo der verbraucherrechtlichen Rechtsdurchsetzung. Der Befund: das System an sich funktioniert gar nicht mal so schlecht. Dennoch scheinen gerade durch die Digitalisierung bedingte Phänomene der Effizienz der Durchsetzung in Deutschland abträglich zu sein.

Zum einem stießen Verbraucherschutzverbände an ihre Grenzen, wenn Algorithmen ins Spiel kommen. Hierbei existiere oftmals die Schwierigkeit, der bestehenden Beweislast gerecht zu werden. Auf der anderen Seite stehen durchaus berechtigte Interessen der Unternehmen an der Geheimhaltung solcher intelligenten Programme: In vielen Fällen ist die Verarbeitung von Daten geradezu die DNA des Unternehmens – eine Offenlegung käme dann einer Aufgabe gleich. 

Zum anderen befanden die Autoren der Studie, dass in vielen Fällen Masse-Schäden, die die Bagatellgrenzen nicht überschreiten, nicht oder nur im geringen Umfang geltend gemacht würden. Dies wiederum befeuert die aktuelle Diskussion in Brüssel über die Einführung von Verbraucher-Sammelklagen.

In beiden Fällen könnte eine behördliche Verfolgung der Verbraucher-Schädigungen Abhilfe schaffen, so die durchaus vorsichtige Einschätzung der Autoren. Sollte der politische Wille hierzu bestehen, wäre das Bundeskartellamt (BKatA) sicherlich die richtige Behörde. Aufgrund der durch die letzte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen erweiterten Kompetenz des BKatA, Sektoruntersuchungen auch im Falle schwerer Verbraucherrechtsverletzungen durchführen zu können, hat die Behörde ohnehin bereits einen Fuß aber auch Kompetenz im Bereich Verbraucherschutz.

DER MITTELSTANDSVERBUND sieht solche Ansätze dabei mit erheblich mehr Skepsis: Zwar verfolgen Verbraucherrecht und Wettbewerbsrecht letztendlich das Ziel, vernünftige Verhältnisse für Verbraucher zu schaffen. Aufgrund des erheblichen Potenzials von Wettbewerbsverstößen, Marktverzerrungen zu bewirken und Verbraucher dadurch in einem weitaus erheblicheren Umfang zu schädigen, sind die dazu erforderlichen Mechanismen – Durchsuchungen in Unternehmen, Bußgelder etc. – gerechtfertigter Weise schärfer als die des Verbraucherrechts. Eine Fusion dieser beiden Regelungsbereiche erscheint daher nicht sachgerecht. Mit Blick auf die weitere Digitalisierung könnte zudem eine allzu drastische Durchsetzung von Verbraucherrechten zu Hemmnissen bei der Entwicklung neuer Technologien führen. Dieser zusätzlichen Belastung von Unternehmen steht hingegen kein nennenswerter Vorteil gegenüber.

Die Studie sollte daher als Grundlage einer sachlichen Diskussion um die Justierung einiger Regelungsbereiche genommen werden. Das Ziel des Verbraucherschutzes sollte daher in den Fokus genommen werden, anstatt undifferenziert den „europäischen Trend“ übernehmen zu wollen.

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