Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden: Weiterhin Streit um Details

Im Dezember letzten Jahres haben sich EU-Parlament, Mitgliedstaaten und EU-Kommission auf neue Regeln zur Energieeffizienz von Gebäuden verständigt. Diese lässt den Mitgliedstaaten umfangreichen Spielraum, um die ambitionierten Klima- und Energieziele zu erreichen. Hingegen bleibt der gewählte Ansatz zum schnelleren Ausbau von nachhaltiger Mobilität unverständlich und wird im Zweifel zu unverhältnismäßig hohen Belastungen in mittelständischen Unternehmen führen.

Brüssel, 12. Januar 2024 – Die überarbeitete Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Energy Performance of Buildings Directive – EPBD) hat das Ziel, Energiekosten sowie CO2-Emissionen über Effizienzmaßnahmen und den Einsatz von erneuerbaren Energien im Gebäudebereich zu reduzieren. Damit stellt sie einen entscheidenden Hebel dar, um insbesondere in Wohn- und Gewerbeimmobilien die Energiekosten signifikant zu senken. 

Hintergrund

Gebäude sind in der Europäischen Union für ein Drittel des Energieverbrauchs und der damit verbundenen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Um das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu sein, zu erreichen, ist auch der Gebäudesektor gefordert, einen Beitrag zu leisten. Seitens der EU wurde dafür eine Renovierungsrate von jährlich zwei Prozent des Gebäudebestands angestrebt bei flexibler Umsetzungsgestaltung durch die Mitgliedstaaten. Diese Quote wird allerdings seit Jahren nicht erfüllt, was die Europäische Kommission vor zwei Jahren dazu veranlasste, eine Novellierung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) anzugehen.

Eine Rolle spielt dabei auch, dass 85 Prozent der derzeitigen Gebäude in der EU auch im Jahr 2050 noch stehen werden, dem Zeitpunkt, zu dem die EU klimaneutral sein möchte. Drei Viertel dieser Gebäude sind momentan nicht ausreichend emissionsfrei bzw. „klimafit“. Derzeit wird nur ein Prozent der Gebäude in der EU pro Jahr energetisch saniert, was bedeutet, dass bei gleichbleibendem Tempo bis 2050 nur etwa 28 Prozent des Gebäudebestands modernisiert, sein werden. Dies ist weit entfernt von den notwendigen 75 Prozent, die zur Erreichung der Klimaziele erforderlich wären.

Neue Regelungen

Die Richtlinie legt zunächst einen Standard fest, der Gebäude nach ihrem Primärverbrauch einstuft. Primärenergie ist die Energie in ihrer natürlichen Form, bevor sie in nutzbare Energie umgewandelt wird. Sie stammt von verschiedenen Energieträgern. Dazu gehören fossile Brennstoffe wie Erdöl, Erdgas und Kohle sowie erneuerbare Ressourcen wie Wind, Sonne, Wasser und Biomasse.

Im besonderen Fokus der politischen Diskussion stand dabei die Frage, wie mit den Gebäuden der schlechtesten Energieeffizienz umzugehen ist. Angesichts steigender Mieten wurde in der Richtlinie auf zwingende Renovierungsziele im Bereich von Wohngebäuden verzichtet. Vielmehr obliegt es künftig den Mitgliedstaaten, einen nationalen Zielpfad festzulegen, um den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent zu senken. Dabei besteht ausreichend Flexibilität, um nationale Gegebenheiten zu berücksichtigen.

Bei Nichtwohngebäuden (Gewerbe) ist vorgesehen, den durchschnittlichen Primärenergiebedarf bis zum Jahr 2030 um 16 Prozent und bis 2033 um bis zu 26 Prozent zu verringern, wobei mindestens 55 Prozent dieser Senkung durch die Sanierung von Gebäuden mit der schlechtesten Energieeffizienz („Worst-First-Prinzip“) erzielt werden soll.

Unbedingt erforderlich ist es bei diesen komplexen Vorhaben, die weiteren Nachhaltigkeitsbestrebungen der EU beispielsweise mit der EU-Taxonomie nicht aus dem Blick zu verlieren. Die EU-Taxonomie definiert ebenfalls klare Kriterien zur Klassifizierung von Investitionen in die energetische Modernisierung von Gebäuden. So gelten Gebäude dann als besonders nachhaltig, wenn sie im Rahmen einer energetischen Sanierung eine Einsparung von mindestens 30 Prozent Primärenergie erreichen. Damit sind die Anforderungen der EU- Taxonomie höher als der EPBD. Beide Richtlinien gelten für den gesamteuropäischen Markt. Die EPBD macht verbindliche Vorgaben zur energetischen Qualität von Gebäuden, wohingegen die EU-Taxonomie lediglich im Rahmen der Finanzierung von Maßnahmen im Gebäudebereich maßgeblich ist. Der Nachweis nach EPBD erfolgt zudem durch einen verpflichtenden und gültigen Energieausweis („Energy Performance Certificates“) und ein entsprechendes Energieaudit. Nach der neuen EPBD werden auch die Energieausweise überarbeitet und EU weit harmonisiert.  

Für Unternehmen ist der Unterschied zwischen den Vorgaben der EPBD und beispielsweise der EU-Taxonomie von erheblicher Bedeutung: Denn die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Energieeffizienzstandards nach der Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) kann unter Umständen nicht ausreichen, um ein günstiges ESG-Rating zu erzielen, im Rahmen dessen Finanzinstitute zunehmend strengere Kriterien wie jene der EU-Taxonomie zugrunde legen. Das bedeutet, dass Unternehmen, die lediglich die gesetzlichen Mindeststandards erfüllen, potenziell schlechtere Ratings erhalten könnten, was wiederum höhere Finanzierungskosten mit sich bringt.

„Ein Unding zur Unzeit. Es kann nicht sein, dass die Erfüllung von heute geltenden, verpflichtenden Standards für Unternehmen nicht ausreicht, um bestmögliche Finanzierungskonditionen zu erhalten. Das EU-Regulatorik-Dickicht für Unternehmen wird immer undurchdringlicher und unverständlicher. So werden immense Fallstricke für Unternehmen geschaffen, die mit großen finanziellen Risiken behaftet sind. Verlässlichkeit und Planbarkeit sind die politischen Rahmenbedingungen, die es national nun dringend braucht, um mittelständischen Unternehmen überhaupt erst die Möglichkeit zu geben, ausreichend in Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren und diese auch planbar umzusetzen", so Dr. Ludwig Veltmann, Hauptgeschäftsführer des MITTELSTANDSVERBUNDES.

Als weitere Neuerung wurde in der EPBD der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zum Beheizen und Kühlen von Gebäuden festgesetzt. Bis 2040 soll die Nutzung fossiler Brennstoffe vollständig und die Förderung von fossilen Heizungen bereits im Jahr 2025 beendet werden. In Deutschland wurde die Förderung fossiler Kessel bereits gesetzlich festgeschrieben, hier regelt das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ab 2024, dass das Heizen mit fossilen Energieträgern längstens bis Ende 2044 möglich ist. Diese gerade erst getroffene Regelung müsste also mit Blick auf die EPBD auf den Prüfstand.

Neubauten sollen künftig solargeeignet sein, d.h. die Voraussetzungen müssen von Anfang an geschaffen werden, Photovoltaikanlagen oder Solarthermieanlagen auf dem Dach installieren zu können. Für bestehende Nichtwohngebäude ist ab 2027 die schrittweise Nachrüstung mit Solaranlagen vorgesehen, sofern es technisch umsetzbar und wirtschaftlich sinnvoll ist. Diese Vorgaben werden gestaffelt eingeführt und sind je nach Typ und Größe des Gebäudes zu unterschiedlichen Zeitpunkten verbindlich.

Verschärft wurden ebenfalls die Regelungen zur nachhaltigen Mobilität, die in Deutschland vorrangig im Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (GEIG) verortet sind. Der nunmehr gefundene Kompromiss sieht vor, dass im Fall von Nichtwohngebäuden bei neuen oder neu zu renovierenden Gebäuden jeder fünfte Stellplatz mit einem Ladepunkt ausgestattet werden muss. Zudem sollen 50% der übrigen Stellplätze vorverkabelt werden sowie die restlichen 50% der Stellplätze mit Leerrohren ausgestattet werden. Bei bestehenden Nichtwohngebäuden soll jeder zehnte Stellplatz mit einem Ladepunkt ausgestattet werden, optional können 50% der Stellplätze mit Leerrohren bestückt werden.

„Da kommen erhebliche Neuinvestitionskosten auf die Unternehmen zu“ meint auch Tim Geier, Geschäftsführer Büro Brüssel, DER MITTELSTANDSVERBUND. Die Kritik des Verbandes bezieht sich insbesondere auf die fehlende Berücksichtigung regionaler Bedarfe. Diese wird in dem nunmehr ausverhandelten Text nicht mehr berücksichtigt. Dabei gab es aufseiten des Europäischen Parlaments sowie des Rates viele Stimmen, die einen bedarfsgerechten Ansatz befürworteten. Die ursprüngliche Position des Europäischen Parlaments sah daher auch vor, dass Mitgliedstaaten von den starren Vorschriften abweichen dürfen, um auf die örtlichen Gegebenheiten sowie die drohenden unverhältnismäßigen Kosten einzugehen.

Noch muss der Text formal von Rat und Europäischen Parlament angenommen werden, um in Kraft zu treten. DER MITTELSTANDSVERBUND ist daher bereits an die Entscheidungsträger mit dem Petitum getreten, den gewählten generalisierenden Ansatz zu überdenken und die örtlichen Gegebenheiten in den Regionen in Ansatz zu bringen.

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Ansprechpartner

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Dr. Sabine Schäfer Projektleiterin Klimaverbund und Leiterin Klima, Energie und Ressourcen Mehr Infos
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