Homestory: Eine Frage der Nachhaltigkeit – für mehr Klimaschutz im Garten

Lavendel, Dahlien, Himbeeren, Geranien: Da schlägt das GärtnerInnen-Herz schneller. Doch wer beim Gartencenter Decker in Achern nur an Blumenerde und Pflanzen-Ampeln denkt, liegt falsch. Denn der Klimawandel macht auch am Gartenzaun nicht Halt. Wir haben innerhalb unserer Reihe „Homestorys“ dem Familienunternehmen einen Besuch abgestattet und schnell gemerkt: Die Nachhaltigkeits-Ampel steht auf Grün.

Achern, August 2023 – In der Reihe „Homestorys“ stellen wir ausgewählte Betriebe vor, die das Angebot einer Klimaprofi-Beratung angenommen haben und berichten von ihren Erfahrungen. Einige Unternehmen haben bereits Pionierarbeit geleistet, andere stehen noch am Anfang.

Am Eingang rechts abgebogen, gelangt man zum Biomarkt und Bio-Bistro. Hier findet sich eine große Auswahl an nachhaltigen Produkten, Mehl und Marmelade, frischem Obst und Gemüse wie Karotten, Pastinaken, Kohlrabi oder Feldsalat – zum Teil auch aus der eigenen Demeter-Produktion. Und weil Gartenarbeit hungrig macht, gibt es „…jeden Mittwoch bei uns selbstgemachtes Dinkel- und Bauernbrot mit Mehl aus eigenem Demeter-Anbau – frisch aus dem Holzofen.“, erzählt Markus Decker, Geschäftsführer des Gartencenter Decker in Achern. Und man muss schnell sein, das leckere Gebäck ist beliebt und schnell vergriffen. Das Bio-Bistro nebenan bietet täglichen Mittagstisch, Kuchen und Kaffee. Das lädt zum Verweilen ein – und zwar die ganze Familie.

Ob Streuobst- und Blumenwiese, Spielplatz, Streichelzoo, Ponyreiten oder Esel streicheln: Auch für die Kleinen ist was dabei. Deshalb hat Blumen-Decker auch so viele eingefleischte „Fans“ als KundInnen, die immer wieder kommen. Und das seit vielen Jahren.

Das Gartencenter Decker – verwurzelt seit 1936

Als Markus Decker den Betrieb von seinem Vater übernahm, sei er noch jung gewesen. Heute ist er 55 Jahre alt, betreibt das Gartencenter in dritter Generation – und der grüne Daumen zeigt noch genauso nach oben wie bereits vor rund 30 Jahren. Die Tradition spielt ohnehin eine große Rolle bei Familie Decker – sie ist seit 1936 in der grünen Branche fest verwurzelt und schon damals stand das Unternehmen für Regionalität, Qualität und ein gesundes Bewusstsein für marktgerechte Preise. „Der Kunde ist König“ gilt auch heute noch. 

Das Gartencenter ist ein Anschlusshaus der SAGAFLOR AG, ein Verbund von Gartencentern und Tierhandlungen, der im MITTELSTANDSVERBUND organisiert ist. Und nicht nur das – die Kooperation macht mit dem Klimaprofi Roldany Gutierrez tatkräftig im Projekt Klimaverbund mit, in dem sich Vertreterinnen und Vertreter verschiedenster Verbundgruppen vernetzen, um mit ihrer „Schwarmintelligenz“ und kollektiv die gemeinsamen Ziele Klimaschutz und Ressourceneffizienz im Mittelstand voranzubringen. Gefördert wird das Projekt von der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK).

Ein zweites Leben für Resthölzer und Regentropfen

„Unsere Weltkugel gibt es nur einmal“, sagt Markus Decker nachdenklich. Und auch den Kleinsten soll es in Zukunft gut gehen. „Das war einer der Gründe, warum bei uns 2006 ein Umdenken stattgefunden hat.“

Umdenken und handeln – gesagt getan: Im Jahr 2006 hat Markus Decker die Ölheizung des Gartencenters durch eine Hackschnitzelheizung ersetzt. Wer bei Hackschnitzel allerdings ans Essen denkt, der hat weit gefehlt. Hackschnitzel sind in der Regel Resthölzer aus der Waldpflege, die nicht mehr für andere Zwecke genutzt werden können. Sie fürs Heizen zu verwenden, ist damit eine Art ökologische Abfallbeseitigung. Decker hat dafür sogar eine eigene Anlage angeschafft und stolze 500.000 Euro in die Hand genommen. Und das hat sich gelohnt, denn: „Beim Heizen sind wir mittlerweile komplett autark unterwegs und haben Öl und Gas den Rücken zugekehrt.“, sagt er. Beim Strom setzt er auf zertifizierten Öko-Strom – heißt also, dass 100 % des erzeugten Stroms aus Erneuerbaren Energien stammt.

Und auch Regentropfen bekommen im Gartencenter Decker ein zweites Leben: Dafür wird jeder Tropfen Regenwasser aufgefangen. Markus Decker hat ein geschlossenes Wassersystem installiert, dessen Becken sage und schreibe 500.000 Liter Wasser fasst und neben dem Gewächshaus steht. Der Effekt: Seit zwei Jahren bewässert er seine Pflanzen ausschließlich mit dem aufgefangenen Regenwasser – das schont nicht nur den Geldbeutel, sondern freut natürlich den Klimaprofi der SAGAFLOR Roldany Gutierrez, die Umwelt und vor allem die Pflanzen. Die vertragen weiches Regenwasser nämlich besser als hartes und kalkhaltiges Trinkwasser. 

Strom vom Feld

Neben Wasser brauchen Pflanzen gar nicht so viel zum Wachsen: Nährstoffe, Erde – für Markus Decker übrigens Torf-frei, denn „Torf gehört ins Moor und nicht in den Garten“ – und natürlich Licht. Aber hieran fehlt es gerade in den Wintermonaten häufig. Für die richtige Pflanzenbeleuchtung in seinen Gewächshäusern hat Markus Decker bereits 50 % seiner Leuchten auf LED umgestellt – damit lässt sich sogar die Photosynthese der Pflanzen besser steuern. Und auch der Pflanzenflüsterer fühlt sich wohler, sagt selbst „Wir leben in den Gewächshäusern“.

Apropos steuern: Es gibt wohl kaum eine Gärtnerei, in der kein Gabelstapler benötigt wird ­– schließlich will jeder Blumenkübel mal bewegt werden. Hier setzt Markus Decker nicht auf eigene Muskelkraft, sondern auf seine E-Flotte. Außerdem hat er seine Transportfahrzeuge auf Wasserstoff und E-Mobilität umgestellt – hat zahlreiche mit Akkus betriebene Gartenwerkzeuge angeschafft. Für Decker ist all das aber noch nicht genug, er plant schon die nächsten Projekte: Bei der Wiederverwendung von Pflanzpaletten sei beispielsweise noch Luft nach oben. Klimaprofi Roldany Gutierrez empfiehlt Blumen Decker die Errichtung von Photovoltaikanlagen: „Bei dem jährlichen Stromverbrauch von ca. 226.000 kWh kann die Kombination von verschiedenen Photovoltaikanlagen mehr als 50 % des eigenes Strombedarfs abdecken.“ Viel Potential sieht Gutierrez auch beim Thema Agri-Photovoltaik – ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und die PV-Stromerzeugung. „Zwei Fliegen mit einer Klappe“, wie es so schön heißt. „Strom und Lebensmittel auf der gleichen Fläche zu produzieren, ist in Achern bei der Gärtnerei Decker ohne Schwierigkeiten möglich. Die Erträge liegen dann bei bis zu 180 % (100 % Stromproduktion, 100 % Lebensmittelproduktion). Heißt: „Die eigene Stomproduktion durch Photovoltaik spart nicht nur Energie, sondern auch bares Geld. Solche Investitionen sollten bei Unternehmen selbstverständlicher werden, wir sprechen heute von durchschnittlich 8 Jahren Amortisationszeit bei Gartencentern.“, erläutert Gutierrez begeistert.

Auch bei der E-Mobilität soll es voran gehen – hier gibt es noch einiges zu tun. Aktuell werden in dem Gartencenter 10 Tonnen CO2 durch den Kraftstoffverbrauch für die Betriebsmobilität ausgestoßen. Das soll sich ändern und deshalb laufen die gemeinsamen Planungen zwischen dem Klimaprofi und Markus Decker bereits auf Hochtouren. Denn mit der Errichtung von E-Ladesäulen wird zum einen die Betriebsmobilität klimafreundlicher – und zum anderen freuen sich auch die Kunden, wenn nach dem Shoppen nicht nur der Einkaufskorb voll ist, sondern auch die E-Auto-Batterie. Die beiden sind also noch längst nicht am Ende ihrer Reise.

Grüne Branche, rosige Zukunft?

Arbeiten im Grünen – besser geht´s nicht. Wäre da nicht der hartnäckige Fachkräftemangel, der auch die Garten- und Landschaftsbaubranche trifft. Derzeit sind 71 Angestellte in der Produktion und im Gartencenter in Achern beschäftigt. „Neue Mitarbeiter zu finden ist aber schwierig“, sagt Decker. „Dieses Jahr haben wir zum Glück durch Schulpraktika drei neue Lehrlinge einstellen können“. Deshalb setzt sein Team beim Recruiting nun auch auf Social Media – hat auf Instagram und Facebook mittlerweile mehrere tausend Follower.

Und auch die Energiekrise, eine aktuell hohe Inflation, eine geringere Konsumlaune der VerbraucherInnen und angespannte Lieferketten machen der Branche zu schaffen. „Natürlich stellen sich viele KundInnen die Frage: Braucht man den neuen Terrakotta-Topf oder die Chrysantheme vor dem Haus? Das Geld ist schneller ausgegeben – ein Terrakotta-Topf hat im vergangenen Jahr noch 49 Euro gekostet und liegt jetzt bei 100 Euro. Da sind wir froh, dass wir zusätzlich unseren Biomarkt haben.“, so Decker. Aber: „Wir jammern auf hohem Niveau, die Kaufkraft ist nach wie vor gut. Durch die Corona-Pandemie haben die Menschen mehr Zeit in den eigenen vier Wänden und im eigenen Garten verbracht, das hat uns natürlich vorangebracht.“

Der Pflanzenflüsterer will in Sachen Nachhaltigkeit aber noch viel höher hinaus. Warum? „Wir sind Gärtner, wir leben mit der Natur“, sagt er. Man müsse einfach anfangen und dranbleiben. Und so ist es auch mit der Pflege einer Pflanze – damit aus dem Samen mal ein kräftiger Baum wird. Aber Markus Decker und seine Pflanzen haben eben eine ganz besondere Beziehung. Und das merken auch seine KundInnen.


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