Neue Spielregeln auf großen Plattformen: EU-Gesetzgeber einigt sich auf Digital Markets Act

Im Bereich der Plattform-Ökonomie ist derzeit viel Bewegung: Bereits seit mehreren Jahren arbeitet die EU-Kommission an der Verbesserung der Grundregeln, wenn es um die Nutzung von Plattformen geht. So müssen Plattform-Betreiber bereits heute Informationen hinsichtlich der „Spielregeln“ – also: verwendete Algorithmen oder Regeln hinsichtlich der Platzierung eines Angebots bei einer Produktsuche – für Kunden und Plattform-Nutzer bereitstellen. Mit dem nunmehr angenommenen Rechtsakt über digitale Märkte gelten für besonders große Plattformen zukünftig auch Verhaltensregeln im Umgang mit den Plattform-Nutzern.

Brüssel, 30.03.2022 – Auch wenn die Welt für einige Zeit stillzustehen schien: Hinter den Kulissen der Brüsseler Politik bereitete sich ein wichtiger Schritt in Richtung faire Bedingungen auf großen Plattformen vor. Im Letzten Jahr erst veröffentlichte die EU-Kommission hierzu einen Vorschlag, um der Marktmacht großer Internet-Plattformen Herr zu werden.

Der Anspruch

Der sogenannte Digital Markets Act, eine EU-Verordnung, legt klare Verhaltensregen für große Plattform-Betreiber fest. Hiermit soll vor allem den Plattform-Nutzern die Möglichkeit gegeben werden, in einen fairen Wettbewerb mit den Plattform-Betreibern einzusteigen. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigte, dass große Plattformen neben der Bereitstellung einer digitalen Infrastruktur auch eigene Angebote in die Plattform-Dienstleistung einflechten. Im Ergebnis waren damit die Plattform-Nutzer nur in einem engen Rahmen in der Lage, ihre Angebote erfolgsversprechend anzubieten. Die Entwicklung innovativer eigener Dienstleistungen auf Grundlage der Plattform-Infrastruktur waren hingegen nur in wenigen Fällen möglich. Aufgrund der Sogwirkung großer Plattformen und der daraus entstehenden Kunden- und Datenmacht sahen sich Plattform-Nutzer gezwungen, die für sie eigentlich nachteiligen Dienstleistungen weiterhin zu nutzen. Hieraus entstand eine weitere Abhängigkeit.

Der Digital Marktes Act sollte diesen Zuständen Abhilfe verschaffen: Die Bevorzugung eigener Angebote und Dienstleistungen sollte zukünftig ebenso verhindert werden wie sogenannte „Close-In-Effekte“, die auf der Ausschließlichkeit der verwendeten Dienstleistungen und digitalen Angebote beruhte.

Die Realität

Nach knapp einem Jahr erzielten die EU-Gesetzgeber nunmehr eine politische Einigung über die finale Fassung des Rechtsaktes. Kernregelung ist dabei die Definition von sogenannten Gatekeepern. Dies sind nach dem finalen Rechtstext solche Plattformen, die

  • Eine Dienstleistung in mindestens drei Mitgliedstaaten erbringen,
  • einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Milliarden Euro in der Europäischen Union (EU) oder einen Marktwert von mindestens 75 Milliarden Euro erzielen sowie,
  • mindestens 45 Millionen monatliche Endnutzer und mindestens 10 000 geschäftliche Nutzer in der EU haben.

Die darüber hinausgehende Definition von "aufstrebenden Gatekeepern" ermöglicht es der Kommission, sehr großen Plattformen, deren Wettbewerbsposition zwar erwiesen, aber noch nicht gefestigt ist, bestimmte Verpflichtungen aufzuerlegen. Außerdem wird ein neues Marktuntersuchungsinstrument geschaffen, mit dem die Kommission künftige neue Gatekeeper ermitteln kann.

Zudem würde die Liste der Plattformdienste, die in den Anwendungsbereich fallen, erweitert und umfasst nunmehr auch Online-Vermittlungsdienste wie Marktplätze, App-Stores, Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Cloud-Dienste, Werbedienste, Sprachassistenten und Webbrowser. 

Sehr große Plattformen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes über digitale Märkte fallen, werden einer Reihe von Verpflichtungen und Verboten unterworfen. Für den Einzelhandel sind vor allem die folgenden relevant:

  • Die Verpflichtung, Verkäufern Zugang zu ihren Marketing- oder Werbeleistungsdaten auf der Plattform zu gewähren (besonders nützlich für KMU-Einzelhändler, die den Amazon-Marktplatz nutzen);
  • Die Verpflichtung, die Europäische Kommission über ihre Übernahmen und Fusionen zu informieren;
  • Das Verbot der Eigenwerbung für eigene Produkte oder Dienstleistungen;
  • Die Wiederverwendung von privaten Daten, die während eines Plattformdienstes gesammelt wurden, für die Zwecke eines anderen Dienstes;
  • Das Verbot einiger unfairer Bedingungen für gewerbliche Nutzer. 

Fazit

Gerade das Ringen um den Anwendungsbereich war eines der Hauptthemen der politischen Diskussion der letzten Monate. Viele Stimmen forderten eine Herabsetzung der Schwellenwerte, sodass ein größerer Teil der Internet-Wirtschaft von den neuen Regeln erfasst worden wäre.

Nach einigen Vorschlägen wären damit auch Verbundgruppen-Strukturen erfasst worden. Glücklicherweise hat sich in der politischen Diskussion die Erkenntnis verfestigt, nur äußerst große Plattformen diesem neuen Regelungsansatz zu unterwerfen.

Insgesamt bleibt abzuwarten, ob und wie mittelständische Nutzer großer Plattformen die neuen Möglichkeiten nutzen werden. Gerade im Bereich des Marketings besteht nunmehr zumindest die Möglichkeit, kooperative Aktivitäten in Plattform-Angebote zu integrieren und damit die Reichweite von Verbundgruppen insgesamt zu erhöhen.

Der Teufel wird im Detail stecken. Denn noch ist unklar, inwieweit Plattformen nicht doch Möglichkeiten finden werden, die eigentlich klaren Regeln zu umgehen oder deren Konsequenzen (Selbstbevorzugung, Interoperabilität) zumindest zeitlich zu verzögern. Eine gute Grundlage zur besseren Durchsetzung der nunmehr gefundenen Regeln könnte die seit zwei Jahren bestehende Novelle des deutschen Wettbewerbsrechts sein. Denn auch nach diesen Vorschriften unterliegen große Plattformen einem engen Regelungs-Korsett. Das zuständige Bundeskartellamt hat in den letzten Jahren bereits eine gute Grundlage für eine effektive Durchsetzung der Regeln gesetzt. Nun gilt es, diesen gerade für Mittelständler erfreulichen Trend zu verstetigen.

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